20120215

Abrisswatch: Altbauten in Frankfurt/M. weggerissen!

Abgerissen in Frankfurt
Bau abgebrochen in FrankfurtWiederaufbau der Altstadt in Frankfurt am Main: Pluspunkt für das Stadtmarketing

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ie japanischen Touristen scheinen keine Auge für die Frankfurter Wolkenkratzer zu haben. Sie fotografieren lieber den Römer und alles andere, was alt und historisch aussieht. Die Hochhäuser - der Stolz der Frankfurter - sind für Amerikaner und Asiaten nichts besonderes, denn Wolkenkratzer haben diese genug in den eigenen Städten stehen. Touristen kommen nach Europa um authentische Orte mit Geschichte zu erleben. Deshalb ist es aus Sicht des Stadtmarketings so wichtig, weltweit einzigartige Orte zu besitzen und diese auch zu vermarkten. Der Wiederaufbau eines Teiles der Frankfurter Altstadt ist ein wichtiger Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Hier wird keine "künstliche Kulisse" geschaffen, sondern ein kriegszerstörtes Zentrum Sinne einer Stadtreparatur wieder aufgebaut. Nur so lässt sich auch der historische Krönungsweg wieder örtlich nachvollziehen.

Frankfurt/M.: Wiederaufbau und gleichzeitig Zerstörung historisch authentischer Gebäude

Doch während demnächst einige Altstadt-Häuser zwischen Dom und Römer mühselig rekonstruiert werden, verfallen Fachwerkbauten in Alt-Sachsenhausen und es kreist die Abrissbirne im Frankfurter Stadtgebiet und beseitigt einzigartig historische und authentische Spuren im Stadtbild. Frankfurt am Main steht vor allem für massiges, renditeträchtiges Bauvolumen, das oftmals keinen anpassenden Bezug zur Umgebung nimmt. Statt Kleinteilig wird in voluminösen und monotonen Blöcken gebaut und dabei werden mitunter auch noch großzügig im Baufeld stehende, historische Bauten mit abgeräumt (und das obwohl es im Frankfurter Stadtgebiet - Stand 2012 - noch fast 600 Baulücken gibt, die man erstmal schließen müsste bevor man historische Bestandsbauten wegreißt). Nach Daten aus dem Zensus 2011 liegt der Anteil von Altbauten (vor 1919 gebaut) nur noch bei 20 %. Liste abgegangene Bauten in Frankfurt am Main.

Abgerissen wurden seit 2006 in Frankfurt/M. zudem u.a. folgende historische Bauten:

NORDEND
- die „grüne Villa“ von 1884 an der Eckenheimer Landstraße/Ecke Zeißelstraße im Nordend
- Bürgerhospital historisches Gebäude Abriss 2015
SACHSENHAUSEN
- das "alte Druckereigebäude" - ein alter Backsteinbau in der Schulstr. 37 in F.-Sachensachsen - (s. googlemaps ) dort entsteht ein Ärztehaus neben dem Krankenhaus.
- der eingeschossiges Haus - wahrscheinlich Teil eines früheren Altbaus - in der "Kleinen Brückenstraße 3" (s. http://goo.gl/maps/421Lv) im Stadtteil Sachsenhausen.
- die Villa "Kennedyallee 121"
- die historischen Reste der "Freiherr-vom- Stein-Schule" in Frankfurt-Sachsenhausen
- Passavantstraße 22-24 (Abriss 2016)
NIEDERRAD
- Abriss Alter Bahnhof 2022
- Altbau Schwarzwaldstraße 54 (Abriss 2017)
- Abriss eines der ältesten Häuser in Niederrad, Kelsterbachstraße 28  (2020). 835 Unterstützer hatten eine Petition einer Bürgerinitiative unterzeichnet, die sich gegen den drohenden Abriss des unter Denkmalschutz stehenden Hauses Kelsterbacher Straße 28 in Frankfurt-Niederrad richtete. Genutzt hat es nichts. Das Bauamt ordnete 2020 den Vollzug des Abrisses an. 
BAHNHOFS- /PELZVIERTEL/GALLUS
- das repräsentative Gebäude der "Bundesbahndirektion" von 1905-1907 in der Hohenstaufenstraße für ein Hochhausprojekt u. das "Ateliergebäude in der Hohenstaufenstraße 13-25" (ehem. Hauptverwaltung der Andreae-Noris-Zahn AG von 1915 - Abriss 2014 geplant) für ein weiteres Hochhausprojekt
- 2009 wurden zwei gründerzeitliche Bauten an der Ecke Ludwigstrasse /Mainzer Landstrasse 117-119 (obiges linkes Bild nach dem Abriss am 18.02.09 von der Ludwigsstrasse aus gesehen, Bild rechts oben - die Häuser vor dem Abriss von der Mainzer Landstrasse aus) für ein Hotel-Neubau geopfert.
- 2021 wurde der Gründerzeitbau Mainzer Landstraße 137 abgerissen  
WESTEND
- die Villa "Senckenberganlage 30" im Westend (Abriss wg. eines Neubaus einer Bankengruppe).
- in der "Feuerbachstraße 40" ein schöner mit typischen roten Sandstein ausgestatteter Gründerzeitler - s. Google Maps
CITY/ ALTSTADT
- 2012 wurde das historische "Kutscherhaus in der Petersstraße" für ein neues Wohn- und Geschäftshaus abgerissen.
- das ex-Jugendzentrum "Bleichstraße 8-10" - einer der letzten innerstädtischen Altbauten
- Unter die Abrissbirne kam 2013 die leider verwahrloste "Villa Helfmann" am Untermainkai 34.
- für ein Immobilienprojekt wurde Anfang 2013 der "Gründerzeitbau Holzgraben 11a" - einer der seltenen noch erhaltenen Altbauten in der historischen Altstadt flachgelegt.
- Ein entstuckter Gründerzeitbau "Luginsland 1" von etwa 1840 wurde 2013 für ein Bauprojekt abgerissen.
- Auf der Abrissliste steht der Vorkriegsaltbau mit dem Traditionslokal Mutter Ernst in der Neuen Rothofstraße und auch der historische Bethmannhof ist abrissgefährdet
BORNHEIM
- 2014 wurde der kleine Gründerzeitler - das "Klabunt" - an der "Berger Straße 228" plattgemacht.
- Abgerissen wurde für ein Neubauprojekt der halbierte Gründerzeitler Berger Straße 103
- 2018 Abriss eines kleinen Altbaus links neben der nun denkmalgeschützten Wertheim-Villa
BOCKENHEIM
- für ein Immobilienprojekt abgerissen wurden 2015 in Frankfurt-Bockenheim die beiden gründerzeitlichen Bauten "Hermann-Wendel-Str. 10 und 14". In der Falkstraße 52 wurde 2018 der Fassadenschmuck abgeschlagen.
- 2019 wurde das klassizistische Gebäude "Leipziger Straße 68" von 1828 abgerissen

ESCHERSHEIM
- der Gründerzeitler mit der Traditionsgastätte Drosselbart in der Eschersheimer Landstr. 607 wurde für ein Neubauprojekt (s. Meldung von 2019 ) 2020 abgerissen
DORNBUSCH
- Ein im Ensemble stehendes charakteristisches Haus mit Walmdach (Baujahr 1927) wurde 2022 in Dornbusch (Ecke Mechthild-/Spenerstraße) abgerissen.
OSTEND
- Abgerissen wurden die Annex-Bauten der Großmarkthalle 2019 für den Bau der EZB
- Abgerissen wurde ein flacher, gründerzeitlicher Eckbau in der Hanauer Landstraße 42 
- Der Altbau am Ostbahnhof wurde 2023 abgerissen
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- Vom Abriss bedroht ist im Zuge der Baupläne rund um das Alte Polizeipräsidium zudem wohl das alte Pfarrhaus an der Hohenstaufenstraße. Neubauten sollen auch auf dem ehemaligen FAZ-Gelände entstehen und dafür die bestehende Bausubstanz (s. auch Günderrodestraße 5abgerissen werden.  

- Abgerissen werden sollte auch der historische Backsteinbau der ehemaligen Dondorfschen Druckerei
Doch die Initiative Dondorf Druckerei und eine Onlinepetition zum Erhalt der Dondorf Druckerei in Frankfurt am Main - Bockenheim zeigten Erfolg. Die Abrisspläne sind 2024 erst einmal gestoppt.

Neubauten: Geschichtsbewusstsein fehlt bei der architektonischen Gestaltung
Mit dem Geschichtsbewußtsein scheint es oftmals in Frankfurt/Main nicht weit her zu sein: So wurde in der "Schönen Aussicht 13-15", in der Straße wo der Philosoph Schopenhauer wirkte ("Schopenhauer-Haus"), ein modernes Hotel errichtet. Hier hätte man die Kriegslücke besser mit einem historisierenden Bau und einem integrierten Museum für Schopenhauer schließen müssen. Zu den weitgehend trostlos-modernistischen Bauprojekten, die in Frankfurt/M. keinen ausreichenden Bezug zur historischen Umgebung genommen haben, zählen in jüngster Vergangenheit z. B. auch der Neubau "Alte Rothofstr. 8-10", der Neubau der "Freiherr-vom-Stein-Schule" (Schweizer-Str. 87 in FFM.-Sachsenhausen) und der Neubau "Textorstr. 42", auch im Stadtteil Sachsenhausen, sowie ein Neubau in der Ottostrasse im Pelzviertel. Desweiteren stellt der Umbau (und Abriss der Annexbauten) der Großmarkthalle zum EZB-Sitz einen gravierenden Eingriff in das historische Erbe der Stadt dar und auch die in der Nähe liegenden neuen Bauten in der Windeckstraße passen nicht zur gegenüberliegenden gründerzeitlichen Bebauung.

Umbauten, Anbauten und nicht denkmalgerechte Altbausanierungen
Neben vielen trostlosen Neubauprojekten kommen auch noch sanierungsbedingte "Verhunzungen" an Gründerzeitbauten hinzu. So werden die Altbauten mit unmaßstäblichen Dachaufbauten verunstaltet und bauliche Lückenschlüsse erhalten gestalterisch unpassende Flachdächer. Historische Garten- und Balkongitter und Fensterläden verschwinden, statt Holz- werden Plastikfenster eingesetzt und Sandsteinfensterbänke werden durch unpassende Alubleche ersetzt.

Wärmedämmung kontra gründerzeitliche Bebauung
Auch der Stuck, rote Klinker und für Frankfurt typische rote Sandstein verschwindet hinter riesigen Wärme-Dämmplatten (z.B. 2013 in der Gutleutstraße 174-176 und in Sachsenhausen) oder wird einfach abgeschlagen und entgegen aller identitätsstiftenden Gestaltungsleitbilder weiß überpinselt. So wurde z. B. vor einiger Zeit an den Häusern "Schellingstr. 12" und "Mauritiusstraße 20-28", bei der "Sanierung" der Bauten, der Fassadenschmuck abgeschlagen.

Stadtzerstörung geht weiter
Eine Stadtzerstörung bisher unbekannten Ausmaßes wurde mit der Erweiterung des Senckenberg-Instituts in Angriff genommen. Architekt Kulka hatte 2014 moderinstische Umbaupläne vorgelegt, die massiv die historischen Gebäude des "Jügelhaus" verfremden. Ein weiterer Problemfall bildet das Alte Polizeipräsidium, welches seit über 15 Jahren dem Verfall preisgegeben ist und nun nach dem Verkauf hoffentlich bald saniert wird.

Neben der Zerstörung von historischer Bausubstanz verschwinden auch einige schützenswerte Bauten aus den 50iger und  60iger unter der Abrissbirne - wie das FR-Rundschauhaus. Und selbst einige gelungene Bauten aus der Zeit der Postmoderne werden mittlerweile unsinnigerweise geopfert.

Alle Angaben ohne Gewähr.       >>> zurück zum Blog Stadtgestaltung Frankfurt